”An Evening with Bob Gruen”

Limelight Gallery - Showroom Frankfurt
26. Oktober 2023

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Die Limelight Gallery präsentierte am 26. Oktober 2023 Bob Gruen und seine Musikfotografie an ihrem neuen Standort inmitten von Frankfurt. Unsere Besucher erlebten Bob Gruen Live im Gespräch mit Dave Brolan, einem der angesehensten Fotoredakteure aus London. 

Bob Gruen ist einer der bedeutendsten Fotografen seiner Generation. Seine Arbeiten sind sofort erkennbar, von John Lennon über Tina Turner bis zu Led Zeppelin – Gruen stand im Mittelpunkt des Rock’n’Roll und des Übergangs zum Punkrock und zur New Yorker Underground-Szene. Besondere Momente mit den Sex Pistols, Clash und Blondie sind weltweit in jeder Form erschienen, auf Zeitschriftencovern, Postern, T-Shirts und sogar Briefmarken.

Er ist Autor von 15 Büchern, darunter Rock Seen, John Lennon: The New York Years, Green Day: Photographs von Bob Gruen und einer neuen Autobiografie Right Place, Right Time. 

Anlässlich seines Besuches zur Eröffnung der Limelight Gallery Frankfurt hatten wir die Gelegenheit Bob Gruen zu einem Interview zu treffen. Herausgekommen ist ein sehr interessantes Gespräch mit einigen noch nie erzählten Anekdoten…! 

Das Interview führte für uns Alex Gernandt, übrigens selber anerkannter Musik Experte, Autor und langjähriger Musikjournalist, u.a. für Spiegel, Bravo, Classic Rock uvam.

Aber lesen Sie selbst:

Bob, Sie sind nach Frankfurt gekommen, um Ihre Arbeiten in der Limelight Gallery zu präsentieren. Ihr erster Deutschland-Besuch?

 

Bob Gruen: Nein, ich war in den späten 1970ern erstmals in Berlin, habe dort Bob Dylan und Elvis Costello live gesehen. Und in den 2000ern war ich mit meiner Frau, sie ist Modedesignerin, noch ein- oder zweimal bei Modemessen. Deutschland finde ich sehr interessant. Ich mag es, zu reisen und immer wieder neue Dinge zu entdecken.

 

Wie kam es zu der Kollaboration mit der Limelight Gallery?

 

Über meine Connection zu Unternehmer Ralph Wezorke (Lightpower), der eine riesige Privatsammlung von Fotografien besitzt, darunter viele Bilder aus meinem Archiv. Einige davon sind hier in der Limelight Gallery Frankfurt ausgestellt, und sie werden in Zukunft auch im Showroom in Paderborn zu sehen sein und zum Verkauf angeboten.

 

Die Limelight Gallery ist in die Studios 301 Germany integriert. Unter dem Motto „The Art Of Rock’n’Roll“ werden hier Musik und Fotografie verbunden…

 

Eine perfekte Kombination. Hier machen sie Musik und zeigen Bilder, die die Menschen im besten Fall auch inspirieren.

 

Sie haben viele der größten und berühmtesten Künstlerinnen und Künstler der Rock’n’Roll-Geschichte fotografiert.

 

Hier in der Limelight Gallery haben wir Bilder von ihnen allen, von Bob Dylan, John Lennon, Led Zeppelin bis hin zu AC/DC, The Clash, den Sex Pistols, Tina Turner, Suzi Quatro, Blondie, Joan Jett und Prince. Alle wecken immer wieder wunderbare Erinnerungen bei mir.

 

Sie sind ein echter New Yorker. Zur Welt kamen Sie im Oktober 1945 im Big Apple…

 

… und am Tag nach meiner Geburt wurden übrigens die Vereinten Nationen gegründet!

 

Ist es nicht ein großes Glück, in dieser großartigen Stadt aufzuwachsen, die eine so wichtige Rolle in der Pop-Kultur spielt?

 

Absolut! Es hilft natürlich enorm, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und das war New York in den Sechziger- und Siebzigerjahren der Fall, mit all den Bands und Clubs wie dem CBGBs oder Max‘ Kansas City. Meine Autobiografie habe ich deshalb ja auch “Right Place, Right Time“ genannt. Es ist die Story meines Lebens. Aber außer Glück zu haben, muss man auch das Richtige tun und selbst dafür sorgen, dass etwas geschieht. Es spielen in einer Karriere auch Leidenschaft, Ehrgeiz, Talent und Können eine wichtige Rolle.

 

Ihr Nachname Gruen lässt deutsche Wurzeln vermuten…

 

Unser ursprünglicher Familienname war Gruenwald, der wurde in den USA zu Gruen abgekürzt. Sowas war damals bei der Immigration üblich. Meine Familie ist eigentlich ungarischer Herkunft. Meine Mutter kam mit acht Jahren per Schiff nach Amerika und landete direkt an der Freiheitsstatue in New York.

 

Stimmt es, dass es Ihre Mutter war, die einst Ihre Leidenschaft für Fotografie weckte?

 

Das stimmt. Das Fotografieren habe ich von ihr gelernt. Sie war von Beruf Anwältin, aber ihr Hobby war die Fotografie. Es machte ihr Spaß, bei verschiedensten Anlässen Fotos zu schießen und sie dann selbst zu entwickeln. Als ich fünf Jahre alt war, ich erinnere mich noch gut, ließ sie in unserem Haus eine Dunkelkammer einrichten und wir entwickelten gemeinsam ihre Bilder. Sie brachte mir alles bei, auch die ganze Technik. Ich begann, mich sehr für Fotografie zu interessieren.

 

Erinnern Sie sich noch an Ihre allererste Kamera?

 

Klar. Meine Mum schenkte mir eine einfache Kodak Brownie Hawkeye. Ich fing sofort an, damit zu fotografieren. Als ich elf Jahre alt war, fotografierte ich in einem Sommercamp der Schule eine Theateraufführung, „Oklahoma“ hieß das Stück. Ich schickte den Farbfilm damals nach Hause zu meiner Mutter, die ihn entwickelte und die Abzüge zurück ins Camp schickte. Die Bilder habe ich dort dann verkauft. Ich mache diesen Job also, seit ich elf Jahre alt bin. Nur, dass Mutter meine Bilder irgendwann nicht mehr entwickelte (lacht).

 

Haben Sie davon geträumt, professioneller Fotograf zu werden? Oder war ein anderer Beruf in Sicht?

 

Fotografie war das Einzige, was mich interessierte. Man hat wohl mal versucht, mir einen Bürojob zu vermitteln. Es hat nicht funktioniert. Ein neun-bis-fünf-Uhr-Job war nicht meine Welt. Ich arbeite lieber von fünf abends bis neun Uhr früh. Ich habe damals bei einer Rock’n’Roll-Band gelebt, und wann immer sie etwa den Schlagzeuger wechselten, brauchten sie ein neues Bandfoto. Also fing ich an, Fotos für sie zu machen. Dann engagierte mich eine Plattenfirma, um Fotos von einer anderen Band zu machen, das war Tommy James & the Shondells mit dem Hit “Crimson And Clover“.

 

Eine besondere Bedeutung muss der Sommer 1965 für Sie gehabt haben!

 

Ja, da fand das angesagte Newport Folk Festival statt. Damals war ich noch kein Profi-Fotograf. Weil ich kein Geld für ein Konzertticket hatte, ließ ich meine Mutter einen gefaketen Brief an die Veranstalter schreiben, um einen Presse-Fotopass zu beantragen. Das klappte überraschend. Und so machte ich mit meiner Kamera ein paar Bilder und d.as Newport Folk Festival wurde das erste Konzert, bei dem ich Fotos geschossen habe. Auch von Bob Dylan, der dort zum ersten Mal mit E-Gitarre auftrat und dafür heftig kritisiert wurde. Man meinte, er würde damit die akustische Folk-Musik verraten. Ich denke, Bob Dylan wollte zeigen, dass Rock’n’Roll die Volksmusik Amerikas ist.

 

Waren auch Sie früh mit dem “Rock’n’Roll Virus“ infiziert!?

 

Und wie! Mitte der Fünfziger habe ich Elvis Presley – acht Jahre vor The Beatles – im Fernsehen in der Ed Sullivan Show gesehen. Ich erinnere mich noch gut daran und fragte mich, was zum Teufel Elvis da machte. Ich war ein großer Fan. Und später ging es mit Beatles weiter, und dann gab es natürlich Chuck Berry und Bo Diddley, die Shirelles und die Shangri-Las. Aber die Beatles waren die Größten. Jeder liebte die Beatles, weil sie mehr als nur Musik waren.

 

Später haben Sie dann gar mit einem Beatle sehr eng zusammen gearbeitet…

 

Ich kann sogar sagen, mit John Lennon befreundet gewesen zu sein. Mit Yoko Ono bin ich es noch heute.

 

Wie und wo haben sie Lennon kennengelernt?

 

 

Anfang der Siebziger, als John Lennon und Yoko Ono nach New York gezogen waren. Sie lebten im Greenwich Village, direkt um die Ecke von meiner Bude. Ich hatte gerade Fotos gemacht von der Elephant’s Memory Band, mit denen die beiden später auch zusammenarbeiteten (mit ihrer Plastic Ono Band). John sah meine Bilder, sie gefielen ihm und ich wurde schließlich sein persönlicher Fotograf und schoss tausende von Fotos.

Darunter auch das berühmte Bild auf einem Hausdach, bei dem er das “New York City“-T-Shirt trägt.

1973 war das. Das Shirt gehörte mir. Ich hatte die Ärmel kurz zuvor selbst abgeschnitten mit einem Taschenmesser, damit es cooler, New-York-mäßiger aussah. Das machten hier damals viele. John trug es beim Shooting und verwendete eines der Bilder auf dem Cover für sein Album “Sometime in New York City“. 

Wie waren John und Yoko denn drauf?

Wenn man sie traf, gab es immer viel zu Lachen, weil John einfach gern Witze erzählte. Ohne einen Sinn für Humor konnte man mit Lennon nicht auskommen. Yoko ist normalerweise eher ernst, weil sie das ganze Leben sehr ernst nimmt. Aber privat war Yoko oft genauso lustig wie John. Man glaubt es kaum. Es hat immer Spaß gemacht, mit ihnen abzuhängen.

 

Viele Beatles-Fans glauben bis heute, Yoko habe die Band auseinander gebracht.

 

Das stimmt sicher nicht. Die Beatles waren große Jungs, vier selbstbewusste Individuen, die hätten sich von niemandem was sagen oder zu einer Entscheidung drängen lassen, hinter der sie nicht standen. Yoko trifft keine Schuld. Es gibt bis heute viele Missverständnisse um sie, weil sie Avantgarde-Künstlerin ist und viele ihre Art von Kunst einfach nicht verstehen.

 

Ihre Bilder zeigen Künstlerinnen und Künstler meist in Action auf der Bühne oder in ganz besonderen Situationen. Liegt Ihnen die Studiofotografie nicht?

 

Es kommt darauf an. Ich meine, manche Leute sind im Studio sehr kreativ. Ich finde Studioarbeit aber ziemlich einschränkend. Es ist eine größere Herausforderung, eine Alltagssituation blitzschnell “in ein Studio“ zu verwandeln und spontan einen guten Hintergrund, eine gute Beleuchtung und einen guten Ausdruck zu erzeugen. Wenn mir das gelingt, bin ich viel zufriedener, weil ich etwas Schwieriges gemeistert habe. Spontane Fotos sind auch viel intimer. Es sind ja nicht nur die Typen auf der Bühne, sondern es ist immer auch der Rock’n’Roll-Lifestyle, den ich auf meinen Bildern festhalte. Die Fotos zeigen den Menschen auf der ganzen Welt, wie spannend und bunt die New Yorker Party- und Rock’n’Roll-Szene war. Und viele Leute sagten mir, sie seien deshalb nach New York gezogen. Mich fasziniert die Live-Atmosphäre auf der Bühne und eben auch das Besondere: John Lennon vor der Freiheitsstatue, die Sex Pistols im Flugzeug, die Ramones in der U-Bahn, KISS mitten auf der 8th Avenue in Manhattan…

 

Gehörten Sie auch zur “Factory“-Clique von Andy Warhol?

 

Nein, nicht wirklich. Ich kannte ihn natürlich, man traf sich u.a. im Mercer Arts Hotel. Aber Warhol sprach nie viel, war unnahbar. Meist stand er nur rum und beobachtete die Menschen. Aber durch ihn habe ich die New York Dolls kennengelernt. Eine einflussreiche New Yorker Punk-Band, die mir sehr ans Herz wuchs. Ich habe damals erstmals Videoaufnahmen für sie gemacht – lange bevor es MTV gab.

 

Ein weiteres Highlight muss für Sie das legendäre Woodstock-Festival im Sommer 1969 gewesen sein.

 

Das war es. Ich bin als Fan von The Who nach Woodstock gefahren, mit meiner Frau und einem Zelt. Man kann Bilder davon auch auf meiner Website bobgruen.com sehen, und findet die Story über meine Reise nach Woodstock. Es war eine der besten Erfahrungen meines Lebens, sehr befreiend. Ich denke, beim Rock’n’Roll geht es generell um die Fähigkeit und die Freiheit, sich auszudrücken. Was ich zu fotografieren versuche, ist dieser Moment der unbändigen Freude, in dem alle nur „Yeeeahh!!“ schreien und niemand daran denkt, dass man bald wieder seine Miete zahlen muss. Alle schreien nur „Yeeeaah!!“ und lassen den Gefühlen freien Lauf. Um diesen Moment geht’s für mich beim Rock’n’Roll. Und genau so war es damals auf der verregneten Wiese in Woodstock, bei  Sly and the Family Stone, Joe Cocker und The Who. Alle schrien “Yeeeaah!!“. Es war ein Moment der Freiheit.

 

Ihr Archiv umfasst Fotografien aus gut sechs Jahrzehnten. Fotografieren Sie heutzutage noch regelmäßig?

 

Nein, nicht mehr so oft, und gar nicht mehr bei Konzerten! Letztes Jahr arbeitete ich noch mit der jungen italienischen Band Måneskin, als sie zum ersten Mal nach New York kamen, nachdem sie den Eurovision Song Contest gewonnen hatten. Sie sagten mir, dass sie mit meinen Bildern ihrer Lieblingsbands aufgewachsen seien und wollten mich unbedingt für eine Fotosession engagieren. Ich habe sie also auf eine Sightseeing-Tour mitgenommen, um ihnen “mein New York“ zu zeigen. Wir hatten viel Spaß. Kürzlich habe ich auch noch eine Foto-Session mit Nile Rodgers gemacht. 

 

Wie stehen Sie zur Digitalfotografie?

 

Das ist nicht so mein Ding. Leute gehen heutzutage auf ein Konzert, machen Fotos, posten sie innerhalb von Sekunden und die ganze Welt kann es sehen. Mir macht es heute mehr Spaß, meine Bilder auf Ausstellungen zu zeigen wie jetzt in Frankfurt. Man kann da auch Prints meiner Bilder kaufen, das ist eine gute Investition. Ich bemerke einen Trend, in Kunst zu investieren – weil man mehr davon hat als etwa von Aktien. Wenn Sie Aktien kaufen, legen Sie die quasi einfach in eine Schublade und aus. Wenn Sie dagegen ein schönes Foto kaufen, können Sie es an die Wand hängen und genießen. Jeden Tag.

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