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The Beatles, Hamburg, 1966 by Günter Zint
Als die Beatles Hamburg verrückt machten
Bahnhof Ahrensburg, 26. Juni 1966, 5.30 Uhr am Morgen. Ohrenbetäubendes Kreischen übertönt die quietschenden Bremsen des Sonderzuges mit den Beatles an Bord. Die mittlerweile weltberühmten Jungs aus Liverpool kommen in der kleinen Stadt vor den Toren Hamburgs an, um dem ganz großen Rummel rund um ihre Konzerte in Hamburg zu entgehen. Dennoch drängeln sich jubelnde und zweifellos hellwache Fans auf dem Bahnsteig. Die Mädchen „nehmen es an Lautstärke mühelos mit Fabriksirenen auf“, schreibt die „Ahrensburger Zeitung“ später.
Die Beatles steigen im „Schloss Tremsbeatle“ ab
Die Beatles dagegen brauchen erst einmal eine Mütze Schlaf und tauchen ein paar Stunden in ihrer noblen Unterkunft unter. George Harrison, Ringo Starr, Paul McCartney und John Lennon steigen im Schlosshotel Tremsbüttel ab, von den Medien „Schloss Tremsbeatle“ getauft. Dort legen sie sich bis 13.30 Uhr aufs Ohr, wie die damalige Presse minutiös berichtet. Die Fans starren derweil draußen ungeduldig auf die Hotelfenster. Der magere Lohn eine Stunde später: Etwa 45 Sekunden zeigen sich die „Pilzköpfe“ auf dem Schlossbalkon.
„Es geht los!“
heißt es schließlich drinnen ziemlich lapidar auf der Bühne. Was dann vor allem losgeht, als die Beatles lässig auf die Bühne springen: Fan-Gekreische ohne Ende. Eines der bedeutendsten Ereignisse der Hamburger Konzertgeschichte geht im ohrenbetäubenden Lärm der Fans nahezu unter.
Die „Zeit“ zitiert damals den Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein, denn auch der habe schon gesagt: „Wer zu den Beatles geht, der werde sie zwar sehen, aber nicht hören.“ Sehen statt hören heißt es also auch bei den beiden Konzerten in Hamburg. Aber das tut der Stimmung keinen Abbruch, die Halle kocht.
Nur einmal ist es laut Medienberichten fast ganz still: Als Paul McCartney „Yesterday“ singt. Bloß leises weibliches Schluchzen ist zu vernehmen.
Fest steht:
Wer nicht mit der wahnwitzigen Idee gekommen ist, die Musik der Beatles auch hören zu wollen, erlebt ein unvergleichliches Konzert. Für die Beatles ist es der letzte Auftritt in Hamburg, der Stadt, in der die Band groß geworden ist. Der Stadt, in der sie sich einst noch die Nächte mit kleinen Club-Konzerten um die Ohren schlugen und sich an der Bar von den Fans eine Runde Bier spendieren ließen.
Im Juni 1966 feiert Hamburg die nun weltberühmten Jungs, bis es kracht. Die Fans hoffen sehnlichst auf ein weiteres Konzert in Hamburg, aber dazu kommt es nicht mehr, denn wenige Jahre später löst sich die Band auf.
Ein letztes Lächeln für die Fans:
Vom Wind zerzaust steigen die Beatles am 27. Juni 1966 in die Maschine und auf geht es nach Tokio. Das war ihr letztes Konzert in Hamburg.
In Hamburg ist die Hölle los
Danach geht es im Eiltempo nach Hamburg. Zwei kurze Konzerte sind an diesem Sonntag in der Ernst-Merck-Halle auf dem Messegelände bei Planten und Blomen im Rahmen der „Bravo-Blitz-Tournee“ angesetzt. Rund um die Halle ist die Hölle los. So manch ein Erwachsener in der gediegenen Hansestadt reibt sich verwundert die Augen angesichts der Massenhysterie um die „halbwüchsigen Pilzbuben“, gerne auch „Heuler“ oder „Sängerknaben“ genannt.
The Doors, Frankfurt 1968 by Günter Zint
Freitag, der 13. September 1968.
Die weltberühmten Doors sollen am nächsten Tag in der Kongresshalle spielen und haben sich breitschlagen lassen, eine Aufnahme für die ZDF-Fernsehsendung „4-3-2-1 Hot & Sweet“ vor historischer Kulisse zu machen. Das Farbfernsehen steckt noch in kurzen Kinderhosen, das in spärlicher Zahl erschienene Publikum ist von Jeansmode so weit entfernt wie Los Angeles von Karl, dem Großen, im Kaisersaal. Ton ab, „Hello, I Love You“ – im Vollplayback.
Bis heute kann das Medium Fernsehen mit Leichtigkeit die verruchtesten Rüpelbands in dudelnde Geburtstagsgrußkarten verwandeln, wenn es sie zu einem Studio-Playback-Auftritt verurteilt. Das Frankfurt-Video der Doors, fantastischerweise ein halbes Jahrhundert später im Internet zu sehen, dürfte eine Pioniertat dieser Form der Domestizierung sein. Wir sehen vier adrette junge Herren, die artig vorsingen. „Die Leute hinter uns sind komplett zu Tode gelangweilt“, beschreibt Schlagzeuger John Densmore später.
Jim Morrison, der berüchtigte Sänger, der sonst gern mal provoziert, das Publikum beschimpft, Auftritte platzen lässt – er blickt die ganze Zeit scheinbar verträumt in den Himmel. Aber nein, versichert Gitarrist Robby Krieger: „Wir sind in diesem schönen Viertel mit unglaublicher Architektur. Ich wusste, er sah sich all das coole Zeug um uns herum an.“ Ein Freund der Altstadt also.
Man wünschte, Jim Morrison hätte die vollendete Rekonstruktion 50 Jahre später erlebt. Am Tag des Römerberg-Auftritts zieht es ihn magisch in die Alte Nikolaikirche, wo er eine Stunde versonnen Orgel spielt, sich auf der Kanzel fotografieren lässt sowie vor dem Altar des Siegfried zum Paradies. Der frühere Pfarrer Jeffrey Myers kennt Überlieferungen, in denen einige Flaschen „Goldener Oktober“ eine große Rolle spielten am 13. September 1968. Der süße Wein mag den Doors darüber hinweggeholfen haben, dass eine fröhliche blonde Dame im Minirock praktisch die Hauptrolle im ZDF-Musikfilmchen übernimmt. Sie tanzt unter anderem auf dem Justitia-Brunnen. Die Welt ist in Ordnung. Hello, I love you, won’t you tell me your name?
Für Samstag, den 14. September, standen dann in der 1994 abgerissenen Kongresshalle (heute Maritim-Hotel) auf dem Messegelände gleich zwei Konzerte an. Eines um 18 Uhr, ein weiteres um 21 Uhr. Eine Karte kostete 18 Mark.
Als Double-Bill mit den befreundeten Blues-Rock-Fundis „Canned Heat“, eröffneten „The Doors“ die erste Show, bei der zweiten wechselten beide Bands die Reihenfolge. Im Publikum befanden sich viele in Frankfurt und Umgebung stationierte G.I.s samt Anhang, die im bedröhnten Zustand für exaltierte Stimmung sorgten.
Morrison nerven die Fans, die unentwegt den Hit „Light My Fire“ verlangen, obwohl ihm mehr nach ruhigen Bluessongs zumute ist, und eine Gruppe US-Soldaten, die mit einer Militärflagge vor der Band auftaucht. Er verlässt wütend die Bühne. Später, als die Halle schon fast leer ist, kehrt die Combo zurück.
Konzertveranstalter Fritz Rau erinnert sich:
„Eine astreine Bluesband, die noch einmal über eine Stunde spielte – Jim Morrison der Einfachheit halber auf dem Boden liegend. Er improvisierte unheimlich schöne Texte, und wir alle waren sprachlos.“
The Who, Bremen, 1966 - 67 by Günter Zint
Jimi Hendrix, Hamburg, 1967 by Günter Zint
„Jimi Hendrix war mein Untermieter für ein Wochenende“
„Das erste Mal begegnete ich ihm im März 1967, als er im Star-Club auftrat, dessen Hausfotograf ich zu der Zeit war“, erzählt Günter Zint. „Ich weiß noch, dass er im Autohotel an der Lincolnstraße abgestiegen war und dass es ihm da gar nicht gefiel, weil er auf seinem Zimmer die Musik nicht so laut hören durfte, wie er wollte.
Als er in mein Fotostudio kam und die Stereoanlage und die Couch sah, meinte er sofort: ,I’m not going back to this shitty hotel. I stay here.‘“
Zint grinst: „Und so hatte ich einen Untermieter für das Wochenende.“
Atemberaubend, was dieser Mann mit der Gitarre anstellte. Mal streichelte er mit seinen virtuosen Fingern die Saiten, dann wieder traktierte er sie mit Zähnen und Zunge. Dabei kamen ekstatische Heul-, Dröhn- und Schnurrlaute heraus. Sowas hatte die Welt bis dahin nie gehört. 50 Jahre nach Jimi Hendrix‘ Tod – er starb am 18. September 1970 in London – erinnert sich Günter Zint, der Gründer des Sankt Pauli Museums, an den Rockstar.
Jimi Hendrix riss die Verstärker auf bis zum Anschlag, sodass Leute, die zum ersten Mal bei einem seiner Live-Konzerte waren, fast einen Schock bekamen. Seine Musik war unfassbar laut, aber gleichzeitig warm und einladend, in jedem Fall verzaubernd. Jimi Hendrix – ein Genie, ein Gitarrengott. Sein Sound war pure Magie.
Cher, Bremen, 1966 by Günter Zint
The Mothers of Invention, Frank Zappa, Bremen, 1968 by Günter Zint
October 6, 1968
Frank Zappa and The Mothers of Invention statten dem legendären Beat Club und Radio Bremen einen längst überfälligen Besuch ab. Zeugnis dieses historischen, in schwarz-weiß gefilmten Ereignisses ist ein live gefilmtes Happening, welche die Band von ihrer ureigensten Seite zeigt: Absolutely Free!
Bei der Performance mit ausgeprägtem Jam-Charakter wird dennoch nichts dem Zufall überlassen. Maestro Zappa führt durch die bekanntesten Songs der Mothers, darunter Impro-Versionen von »King Kong«, »A Pound For A Brown Bus«, »Sleeping In A Jar« und »Uncle Meat« aus dem gleichnamigen Album, welches zum Zeitpunkt der Session bereits eingespielt, aber erst im April 1969 veröffentlicht werden sollte.
Ebenfalls im Set enthalten sind eine instrumentale Version von »Let’s Make The Water Turn Black« aus dem 1968er »We’re Only In It For The Money« Album sowie eine frühe Version von »Prelude To The Afternoon Of A Sexually Aroused Gas Mask« des 1970er »Uncle Meat« Nachfolgers »Weasels Ripped My Flesh«.
Mit dem dritten Akt von Wagners Lohengrin und insbesondere »Octandre« von Zappas Idol Edgar Varèse wird am Ende der Session sogar die spätere Klassik Phase Frank Zappas‘ vorweggenommen. Frank Zappa war 1968 zu Besuch beim Beat-Club mit einer Jam-Session, wovon außer einem Interview aber nichts gesendet wurde!
The Beatles, Hamburg, 1961 by Peter Brüchmann
Aufgrund einer Anzeige von Bruno Koschmider, vermutlich wegen Vertragsbruch, wurde auch John Lennon und Stuart Sutcliffe von der Polizei gesucht. Am 10. Dezember 1960 kehrte John Lennon nach England zurück, nachdem er sich für mehr als eine Woche versteckt hatte. Stuart Sutcliffe blieb noch bis Februar bei seiner Freundin Astrid Kirchherr in Hamburg.
Die Beatles traten danach vom 1. April bis zum 1. Juli 1961 im Top Ten Club mit Tony Sheridan auf. Es wurden zweiundneunzig Nächte, in denen die Beatles und Tony Sheridan ohne Unterbrechung im Top Ten Club auftraten. Genau sollen es 503 Stunden auf der Bühne gewesen sein. Sie spielten sieben Stunden pro Abend, am Wochenende acht Stunden. Nach jeder Stunde gab es eine Pause von fünfzehn Minuten.
Peter Brüchmann dokumentierte 1961 den Besuch der Beatles im Top Ten Club. Die Reportage erschien aber erst 1966 in der Quick. Gerd Mingram fotografierte die Beatles eher zufällig, als er im Auftrag einer Gewerkschaftszeitung im Top Ten Club Fotos machte. Einige der Fotos verkaufte er Mitte der siebziger Jahre für 30.000 Pfund an Paul McCartney.
Eigentlich wollten die Beatles 1962 auch im Top Ten Club auftreten, doch der Eigentümer des neuen Star-Club, Manfred Weissleder, und sein Geschäftsführer Horst Fascher hatten Peter Eckhorn so lange überboten, bis der Beatles-Manager Brian Epstein schließlich, statt den Top Ten Club, den Star-Club vorzog.
Die Story hinter den Bildern:
The Beatles, die bis zum 31. Dezember 1960 bei Bruno Koschmider, dem Eigentümer vom Kaiserkeller unter Vertrag standen, besuchten oft, wenn sie nicht spielten, Tony Sheridan, der mit seinen The Jets im Top Ten Club auftrat. Dabei spielten sie auch mal gelegentlich zusammen, was Bruno Koschmider erfuhr. Am 21. November 1960 wurde George Harrison von der Polizei nach England abgeschoben, weil er mit seinen 17 Jahren zu jung war, um nach Mitternacht in einem Nachtclub zu arbeiten.
Es wird vermutet, dass es Bruno Koschmider war, der der Polizei den Tipp gab, weil er sich darüber ärgerte, dass die Beatles dem Kaiserkeller untreu wurden und zum Top Ten Club wechseln wollten. George Harrison musste zurück nach Liverpool reisen.
Am nur wenige Stunden alten 29. November wurden Paul McCartney und Pete Best wegen versuchter Brandstiftung verhaftet. Sie sollen einen Wandteppich oder eine Gardinenschnur angesteckt haben, als sie ihr persönliches Hab und Gut in Bruno Koschmiders Bambi-Kino, in dessen Nebenraum sie immer schliefen, zusammen gepackt hatten, um es in den Top Ten Club zu bringen. Sie verbrachten die restliche Nacht in einer Zelle der Davidwache und wurden am Morgen wieder entlassen.
Kurze Zeit später wurden sie erneut verhaftet und erfuhren, dass sie Deutschland verlassen sollten. Bevor sie abgeschoben wurden, schlossen sie mit Peter Eckhorn einen Vertrag, um ab April nächsten Jahres im Top Ten Club auftreten zu können. Am Abend des 30. November 1960 flogen beide zurück nach London, und reisten von da aus weiter nach Liverpool. Pete Best musste sein Schlagzeug in Hamburg zurücklassen.
Im Top Ten Club befanden sich während eines Auftrittes eines Abends der Musikproduzent Bert Kaempfert, sowie der Musikverleger Alfred K. Schacht, die Tony Sheridan und die Beatles entdeckten und unter Vertrag nahmen. Am 22. und 23. Juni wurden für Polydor mehrere Titel in der Friedrich-Ebert-Halle mit Tony Sheridan und den Beatles aufgenommen, die aufgrund eines Einwandes der Plattenfirma bei dieser Aufnahme als Beat Brothers in Erscheinung traten. Darunter war der Titel My Bonnie, den sie bei ihren Auftritten im Top Ten Club auch spielten. Stuart Sutcliffe war bei der Aufnahme und den letzten Auftritten im Top Ten Club nicht dabei.
Er verließ die Band im Juni 1961.